parole
camera: petitgregoire.ch
sound: Simon Ho
special thanks to: Pipilotti Rist, Hili Leimgruber, Jens Woernle, Rachele Giudici, Davide Legittimo, Bob Gramsma, Katja Schenker, Irene Müller, Heiner Ramsbott
Anina Schenker, parol, 2010
Das Freilegen von physischen und psychischen Zuständen durch die Beobachtung des (eigenen) Körpers, das Ausloten der teils quälenden Ambivalenz von Identität und Dekonstruktion, von Anspannung und Kontrollverlust sind wesentliche Charakteristika der Arbeiten von Anina Schenker (*1971, lebt und arbeitet in Zürich). Diese im ersten Augenblick sehr analytisch klingende Herangehensweise findet ihre Umsetzung in atmosphärisch dichten Videoarbeiten und Fotografien, die die BetrachterInnen mental und körperlich in ihren Bann ziehen. Den Arbeiten liegen performative Situationen zugrunde, in denen die Künstlerin sich und ihre «ProtagonistInnen» äusseren Einflüssen oder – wie in jüngster Zeit zu beobachten – spezifischen psychischen respektive sozialen Settings aussetzt. Die Bilder, die von der neutral und lediglich beobachtend eingesetzten Kamera aufgezeichnet werden, irritieren und verunsichern – Gesichtszüge verformen sich, die schützende Körperhülle erscheint deformiert und unerklärlich entgrenzt; die Personen vollziehen teils unerklärliche Handlungen, ihre Körper verströmen «Materie». Eine verstörende Wirkung, die häufig durch die subtile Anlage des Tons, der die Videobilder begleitet und teilweise auch skandiert, noch zusätzlich gesteigert wird.
Das Video parole thematisiert die Frage von Kommunikation und Machtverhältnissen. Die zwei, einander gegenüberstehenden Frauen sind zunächst vollkommen aufeinander fixiert, sie scheinen einander mit ihren Blicken zu durchbohren. Dann, mit einer langsamen Kopfdrehung, nimmt die eine der beiden für einige Augenblicke Kontakt zu den BetrachterInnen auf, durchbricht das wortlose Zwiegespräch, löst sich aus dem visuellen Kräftemessen. Ihre Mimik suggeriert Abneigung, wobei ihr verächtlicher Blick eindeutig auf ihr vorheriges Gegenüber gemünzt ist. Die konfrontative Begegnung steigert sich jäh, als beide Frauen kurz nacheinander den Mund weit öffnen und sich einer blasigen, leichten Materie entäussern. In Slow Motion prallen diese (Ent-)Äusserungen aufeinander, sie dringen nicht zur anderen durch, sondern zerplatzen – Seifenblasen gleich – in einem feinen Tropfenregen. Am Ende kehren beide wieder zu ihrem regungslosen «Ausgangszustand» zurück, unberührt von der vorherigen eruptiven Interaktion, die dadurch ebenso erfolglos wie rituell erscheint. Was ist der Auslöser für diese Konfrontation? Worin liegt die Aversion begründet? Und gibt es einen Ausweg aus dieser spannungsgeladenen Situation, die umso bedrohlicher, ja fast gewalttätiger wirkt, da ihr der erlösende, kathartische Moment fehlt? Anina Schenker spürt existenziellen Fragen nach, die unsere Interaktions- und Kommunikationsformen und deren Nachvollziehbarkeit, unsere Identität als Individuum und als Mitglied einer Gesellschaft berühren – auf die sie in dieser Arbeit jedoch keine Antworten, sondern vielmehr Möglichkeiten der Annäherung bietet.