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St. Gallen - Kulturkonsulat 09.10.-21.10.2020

St. Gallen - Kulturkonsulat 09.10.-21.10.2020
2020
Fotografie analog 8/10 inch Lochkamera

Sie stehen neun oder zwanzig Tage oder auch drei Monate in einem Abbruchareal. Und beobachten.
Es sind einfache Lochkameras, die Martin Benz an Orten baulicher Veränderungen anbringt. Das Loch bleibt offen, die Kameras nehmen kontinuierlich ohne Unterbruch ein Bild auf.
Film und Fotografie finden zu einer Synthese. Verschiedene Vorgänge sind in einem Bild übereinandergeschichtet. Es geht um skulpturale, auch performative Dimensionen. Technische Feineinstellungen der Lochkamera nutzt der Fotograf Martin Benz vor allem als Mittel zum Zweck. Ihn interessiert der Vorgang, den er mit dieser Verdichtung von Zeit und Handlung in einem Bild dinghaft werden lassen kann. Nicht das nostalgische Festhalten von Verschwindendem, sondern Fragen von urbanistischer und gesellschaftspolitischer Relevanz nimmt er in den Fokus.
Als er seine ersten Kameras 2009 im Raum St. Gallen montierte, wurde gerade über den Wegweisungsartikel abgestimmt und über die Überwachung des öffentlichen Raumes diskutiert. Martin Benz entscheidet sich für das Anbringen seiner eigenen analogen Überwachungssysteme mittels Lochkamera im Wissen, dass bei dauernd geöffneter Blende am Ende alle Bewegungen verschwunden sind, dass das Bild leer ist; so wie die Städte sich mit der Überwachung entleeren, so wie bei der unendlichen Datenflut am Ende nichts mehr fassbar bleibt. Es ist dies sein eigener subversiver Kommentar zum Zeitgeschehen, zu verdrängten Lebensformen und Geschichten. Die Bauten werden Hülle werden durchscheinend. Berge zeichnen sich dahinter ab, oder die neu errichteten Prestigeobjekte, als wären sie Schatten ihrer selbst.

Ursula Badrutt, Obacht-Magazin 03/2014