ÖV SHIRT
ÖVSHIRT
Halbtonsiebdruck auf Textilem Grund
TRIGGERWARNUNG TRAUMA
Thema:
- Anfangs habe ich mich in dieses Gefühl der Melancholie gestürzt. Die Erlebnisreise, die Touristenscheiße, die vulgäre Aneignung eines Raumes, der nicht mir gehört. Eine Melancholie kann in diesem Fall als Sehnsucht und Versiertheit gelesen werden. Wie bin ich hier gelandet? Welche Entscheidungen haben mich an diesen Ort geführt? War es bestimmt, diesen Ort an meine Seele zu führen und zu binden?
- Was wir betrachten, ist ein regulärer Alltagsgegenstand: ein T-Shirt. Eine Entwicklung des 20. Jahrhunderts, deren Ursprung an verschiedenen Orten verortet wird. Zum Beispiel hat die US Navy während des Amerikanisch-Mexikanischen Kriegs (ca. 1898) anscheinend das T-Shirt als Unterhemden ausgegeben. Oder es wurde während der Entwicklung der industriellen Nähmaschinen von William Cotton erfunden. Auch wenn sich diese Ereignisse nicht ausschließen, ist es heutzutage unumgänglich, ein T-Shirt zu besitzen. Ich denke, die wenigsten Menschen besitzen überhaupt keine T-Shirts zu Hause, selbst wenn es nur als Pyjama oder Sportbekleidung genutzt wird.
- Wirkung und Ursache gehen zusammen auf dem Grad des Verstandes. Eine abgekapselte Idee des Subway-Shirts. Ein Shirt, das für Personen mit weiblich lesbaren Körpern etabliert wurde, um sich zu schützen. Sich zu schützen vor den ungewollten Blicken des dreckigen Abschaums des öffentlichen Verkehrs. Eine schreckliche Erkenntnis ist, dass es viele Unmenschen gibt, die sich misogynistische Meinungen erlauben. Wer hat euch das Recht und die Macht gegeben, euch hinwegzusetzen? Ich verfluche euch und werde euch dieses Verhalten nicht verzeihen. Ich will, dass es auch hier bei uns in der Schweiz das Subway-Shirt gibt. Ich will, dass du dich schützen kannst, wenn du das möchtest.
Emotionen: - Diese T-Shirts bergen eine emotionale Wucht. Eine Schwere, die meinen Geist bricht und ihm eine Bürde auferlegt, die mich in den Sumpf drückt. Es ist schwer zu atmen. Ich kann kaum durch die Nase atmen, während das Gewicht mich fixiert, nicht loslässt. Ich will und kann es nicht verdrängen oder vergessen. Mir bleibt nur übrig, es zu verarbeiten oder mir selbst das Leben zu nehmen. Doch dazu bin ich nicht bereit. Ich bin nicht bereit aufzugeben und das Gewicht gewinnen zu lassen. Also dokumentiere, archiviere, sortiere und löse ich das Gewicht. Ich werde das Trauma immer mit mir tragen, doch ich bin nicht allein. Du bist bei mir. Was dir angetan wurde, ist unverzeihlich, und ich trage deinen Schmerz in meinem Herzen. Ich sehe dich und wie viel es braucht, um zu leben. Deshalb bin ich so stolz auf dich. Du entscheidest dich jeden Tag, nicht aufzugeben, du versuchst alles in deiner Macht Stehende zu tun, um den Schrei, der in dir wütet, nicht außer Kontrolle geraten zu lassen. Dieser Raum befindet sich auf dieser Ansammlung von Alltagsgegenständen. Kannst du ihn sehen? … spüren?
- Du bist nicht allein. Es passiert zu oft. Starre und Machtlosigkeit ohne eine Wahl. Es gibt so viele Menschen, die dasselbe oder Ähnliches Leid tragen. Deshalb gibt es verschiedene Alltagsgegenstände. In verschiedenen Farben, Größen, Formen. Alle ähnlich, die einen gleichen sich mehr, die anderen sind komplett verschieden.
- Die Ketten. Die mich binden und fesseln. Auf der einen Seite eine fassungslose Einschränkung und Gewalt, die mich zwingt, dort zu bleiben, wo ich bin. Doch ich will sie nutzen. Ich will sie tragen und ihnen ihre Macht entwenden. IHR HABT KEINE MACHT! IHR SEID NUR EIN STÜCK METALL, DAS ICH NUTZE. Zur Ästhetik, zu Verwendungszwecken. Diese Ketten sollen dich und mich nicht festhalten, sollen uns die Möglichkeit geben, damit zu arbeiten, sie einzuschmelzen oder mit ihnen Berge zu erklimmen. Die Hoffnung auf eine Zukunft wird Ihnen aufgeladen. Die Hoffnung auf ein Tool, das uns nicht bestimmt, aber uns stärkt… hilft, das Gewicht zu stemmen.
Das Ich: - Im Zentrum stehst du. Nicht ich. Dennoch betrifft es mich. Betrifft es uns. Wir sind zwei streunende Katzen, die sich zu einer Einheit zusammenschließen. Wir arbeiten, verstehen, kämpfen, verarbeiten, lösen, heben das Gewicht gemeinsam. Du und ich gegen den Rest der Welt.
- Ich denke sehr fest an meinen Vater und dessen liebliche Seite. Das sanfte Shirt, das einem Sicherheit und Ruhe vermittelt. Der Stoff, der die Haut in den Schlaf wiegen kann. Nicht das konservative Bild, das ihn umgibt. Nicht die generationenübergreifende Meinung oder die fehlenden Fähigkeiten. Ich spreche von seiner Fürsorge, seiner Güte, seiner Liebe. Mit der ich mich identifizieren will.
- Das Archivieren hilft mir vielleicht, dem Ereignis, dem Missbrauch, den nötigen Raum zu geben. Einen Raum, in dem ich dem Gewicht gegenübertreten kann. Ein Raum, in dem ich mich der überwältigenden Wucht stellen kann. Jetzt bin ich noch nicht bereit. Doch Stück für Stück taste ich mich an die Kraft, die ich brauche, um zu sprechen. Dennoch habe ich die Fotografien, dieses Festhalten am 4. Juni. Wohin gehe ich damit, wo finden sie ihren Platz? Ich werde sie so lange verarbeiten, bis sie mir die Kraft geben, das Gewicht zu stemmen.