kleioscope

Das Weiss zwischen den Wörtern

Das Weiss zwischen den Wörtern
2008
Acryl, Bleistift auf Baumwolle
140 x 100 cm

Im vorliegenden Bild richtete ich meine Aufmerksamkeit für einmal auf Textstellen, die eigentlich gut sichtbar und von hohem Stellenwert sind, aber trotzdem übersehen werden. Ohne sie gäbe es wohl keine lesbaren Texte. Selbst die kleinsten Unstimmigkeiten können zu Verwirrung führen und ein fliessendes Lesen stark beeinträchtigen.
Das 2008 entstandene Gemälde "Das Weiss zwischen den Wörtern" zeigt sich bezüglich Material und Inhalt bescheiden; dazu noch in den sogenannten unbunten Farben Weiss, Schwarz und Grau. Kaum sichtbar trägt der weisse Grund von oben nach unten, regelmässig angeordnete, 22 waagrechte Bleistiftlinien. Auf den Linien sitzen schwarze Rechtecke, unregelmässig verteilt, in der Breite mal grösser, mal kleiner. Ausser dass sie in der Höhe einheitlich sind, folgt ihre Platzierung keinem offensichtlichen System.
Obwohl keine Farben, keine konkreten Gegenstände oder räumliche Anspielungen die Fläche beleben, erzeugt die unterschiedliche Verteilung der Rechtecke eine Spannung, eine Unruhe, welche die Augen anstachelt, nach einem bestimmten Rhythmus zu suchen.
Gedanken an die konkret-konstruktive Kunst kommen auf. Was aber am zurückhaltensten gestaltet ist, die Bleistiftlinien, ist für das Bildganze von verräterischer Aussagekraft, verweisen sie doch auf das für die Schrift so bedeutende Strukturelement: die Linie.
Wie schon der Titel des Bildes andeutet, stehen die Räume zwischen den einzelnen Wörtern im Mittelpunkt.
Ich habe diese Zwischenräume genau ausgemessen und ihrer Grösse entsprechend als schwarze Rechtecke auf die Linien gesetzt.
Damit wird eine bedeutende Leere zum Bild.

Textvorlage: Roland Barthes, Variation sur l'écriture. Variation über die Schrift. Französisch - Deutsch. Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung. Mainz 2006, S. 78, 80